So, jetzt stecken wir uns alle dieses adrette, rote Schleifchen ans Revers, ziehen eine betroffene Miene und hören uns das inhaltsschwache Geschwafel von Gert Scobel an. Vielleicht finden wir auch an irgendeiner Ecke eine desinteressierte studentische Hilfskraft, welche uns apathisch um Geld für irgendein unnützes Hilfsprojekt anwinselt.
Wir geben es ihr. Wir dürfen uns gut fühlen, denn es ist erster Dezember und obendrein Welt-Aids-Tag.
Jeden den ich mit einer solch roten Schleife erwische, möchte ich am liebsten ein Loch ins Kondom stanzen.
Heuchler – allesamt.
Miese, dreckige Heuchler.
Aids ist keine verheerende Seuche, kein schwarzer Tod, keine neue Pest.
Aids ist eine zugegeben tödlich verlaufende Krankheit, momentan ohne Heilungschancen.
Wer an Aids erkrankt ist, verdient unsere Hilfe und unser Mitgefühl. Aber all das Bohei um besagte Krankheit ist übertrieben.
Wer sich mit HI-Viren infiziert, stirbt nicht von jetzt auf gleich. In unserer Gesellschaft kann er ein fast normales Leben führen, vielleicht sogar ohne, dass Aids jemals bei ihm ausbricht. (Laut Robert Koch Institut hat der durchschnittliche HIV-Infizierte eine Lebenserwartung von 48,7 Jahren. Eine antiretrovirale Therapie kostet jährlich zwischen 10´000$ und 15´000$, gedankt sei es den „forschenden Pharmaunternehmen“ und ihren Patentanwälten.)
Zugegeben, außerhalb dieser Oasen des Wohlstands sieht es weniger gut aus, und in „Staaten“ wie Swasiland oder Haiti ist Aids ein wirkliches Problem. Ohne Weiteres könnte man dieses in den Griff bekommen, würden unsere hoch geachteten/subventionierten Pharmaunternehmen nicht auf ihren, den Ureinwohnern abgeluchsten Patenten hocken. Mittels Generika kann man einem an Aids Erkrankten schon für 140$ im Jahr helfen.
Noch viel billiger und effektiver wäre eine gute Aids-Prävention.
Aufklärung, Kondome und Kaiserschnitte kosten nichts verglichen mit den Folgen einer ausufernden Aidspandemie. Würden die Katholen statt Jugendtage zu feiern Kondome erlauben, könnten wir uns den wichtigen Themen zuwenden.
Der WHO nach starben 2006 geschätzte 2,9 Mio Menschen an Aids (in Folge der Imunschwäche, ob es nun eine tödlich verlaufende Lungenentzündung, TBC oder Grippe war, geht aus den Zahlen nicht hervor). 4,3 Mio infizierten sich neu.
39,5 Mio Menschen sind HIV-positiv. Das sind gerade mal 0,6% der Weltbevölkerung. Denen helfen wir heut, indem wir rote Schleifen made in China (ein Land mit einem großen, ignorierten HIV-Problem) tragen.
Toll! Großartig!
Und? Fühlt ihr euch jetzt besser?
Dann ist ja gut!
500´000´000
Das ist die vom Robert-Koch-Institut geschätzte Zahl der jährlichen Malaria-Neuinfektionen.
Einer von 13 Menschen erkrankt demnach jedes Jahr an Malaria. Geschätzte 2,7 Mio Menschen sterben daran (wobei die Dunkelziffer aufgrund der unsicheren Datenbasis der betroffenen Länder höher sein dürfte).
So.
Welche Farbe hat die Schleife für den Welt-Malaria-Tag? Wann war der doch gleich?
Kleiner Einschub:
Malaria ist eine alte Krankheit, die vor allem den afrikanischen Kontinent schon seit langem heimsucht. Die Völker Afrikas verstanden es, sich damit zu arrangieren. Sie lebten verstreut in höheren Lagen, weitab von den Brutstätten der Mücken.
Erst die Europäer zwangen die Menschen in die Nähe der Flüsse,
zwangen sie, sich in großen Siedlungen und Städten niederzulassen, wo die Prävalenz ganz automatisch steigt.
Das trug letztlich zur massiven Ausbreitung dieser und anderer Krankheiten bei.
Noch eine Zahl:
30´000´000.
Das ist die von der WHO prognostizierte Zahl der Tuberkulosetoten in den kommenden 10 Jahren. Immerhin, die Tuberkulose hat ihren eigenen Feiertag: den 24. März. Dann trägt man wahrscheinlich auswurf-braune Taschentücher.
Oder wie wäre es mit Denguefieber?
Diese Krankheit ist so uncool, dass es nicht einmal verlässliche Zahlen gibt. Laut WHO sollen daran jährlich 10´000´000 bis 100´000´000 (!) Menschen erkranken, wobei 2-5% sterben. Für diese Krankheit gibt es weder eine Behandlung, noch einen Impfstoff – gut geforscht Pharma-Löwe.
Ach. Denguefieber, Ebola und Malaria, das interessiert mich alles nicht, das gibts ja bloß in Afrika, vielleicht noch in Asien, sollen die doch damit klar kommen. Und Tuberkulose, püh, da gibts ´ne Behandlung für, und die antibiotika-resistenten Stämme finden sich ohnehin nur in russischen Strafanstalten.
Fast schon lächerlich, was für ein Aufhebens am heutigen Tag um Aids gemacht wird, während allein heute fast 1,5 Mio (!) Menschen an Malaria erkranken.
Aber
Ich will mal nicht so sein. Ich versteh das ja.
Zum einen kann so ein Afrikaner ja gar nicht die tollen Medikamente bezahlen, die wir ohnehin nicht „erforschen“. Der Wirtschaftswissenschaftler drückt es folgendermaßen aus: "In Afrika besteht keine Nachfrage nach Malaria- oder Aidsmedikamenten". Von seinem Standpunkt aus soll er recht behalten: Nachfrage herrscht nur da, wo man sich das Angebot auch leisten kann.
Ich versteh auch den Scobel, jenes blassierte 3Sat-Arschloch und all die anderen Kasper.
Ist klar, Freddy Mercury macht sich besser auf ´ner Titelseite. „Schwulenkrebs“ (BILD) klingt cooler als Denguefieber. Dass Aids nach wie vor mit der Halbwelt aus Drogen und Prostitution in Verbindung gebracht wird, dass man Aids in allen Broschüren zu Geschlechtskrankheiten findet, trägt maßgeblich zu seiner medialen Verwertbarkeit bei. Eine „Lustseuche“ (ebenda) macht sich halt besser, als ein oller Mückenstich.
Mir reichts.
Ich stanz jetzt Löcher in Kondome, dann verschaff ich mir ne Sichelzellenanämie und fahr nach Afrika um den Leuten die Milz zu entfernen. Zum Schluß gibts nen Gin-Tonic (Chinin!) und dann können mich alle mal...
Vorsicht:
Statistisch betrachtet hat einer von 5 Malariakranken eine Kalschnikow zur Hand, hoffen wir, dass er lang krank bleibt und nicht wütend wird.
So, was mir eben noch aufgefallen ist:
Die UNO hat für jedes Problem, dass den Fortbestand der Menschheit bedroht einen eigenen Tag: Welt-Aids-Tag, Welt-Tuberkulose-Tag...
Was soll ich da jetzt vom Weltfrauentag halten? Gibts da auch was von Ratiopharm?
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