Hier sollte ein Zitat stehen. Ich habe es vergessen.
Ich war heute wählen.
Nicht, dass ich ein aufrechter Demokrat wäre. Auch dieses System ist nicht vor Pervertierung gefeit, und eine gut gemachte Diktatur muss für den Menschen ja nicht schlecht sein. Aber ich hatte heut morgen ohnehin nichts zu tun.
Ich zog die Wahl zum Sächsischen Landtag etwas vor. Ich bin hier der Souverän, ich bestimme wann gewählt wird! Dass das mal klar ist.
Ich gab der Frau im Briefwahlamt zu verstehen, dass sie mir ruhig mehrere Stimmzettel geben solle. Statt mein auf Steigerung der Wahlbeteiligung und Ausgleich unter den Parteien bedachtes Ansinnen zu unterstützen, hielt sie das ganze für einen Scherz. Um die Möglichkeit gebracht, jeder Partei auf dem jeweiligen Partizipations-Wisch eine Stimme zu geben, musste ich mich nun doch entscheiden. Klar war nur, aus dem Bauch heraus kann man Politik nicht betreiben – zumindest nicht als Wähler.
Mich der Illusion wirklichen Einflusses hingebend, überlegte ich, was das beste sei - für mich und mein Land. Das Damoklesschwert der Bundestagswahl über mir schwebend, muss ich in einem Akt fiesen Blockierertums eine Lösung finden, die eine Opposition im Bundesrat ermöglicht.
Fall 1: die große Koalition rettet sich in die kommende Legislaturperiode – dann braucht es keinen Bundesrat um Entscheidungen zu blockieren.
Fall 2: es gibt eine Koalition aus Union und FDP. Dann wird wahrscheinlich alles besser als unter der gichtigen Fuchtel regierungsmüder SPD-Greise, aber drauf ankommen lassen will ich es nicht.
Fall 3: Mal ehrlich, alle anderen Koalitionen scheiden aus.
Tritt Fall 1 ein, braucht es keine Opposition in der Länderkammer, dann ist man sich schon im Bundestag spinnefeind. Doch für Fall 2 sollte man vorsorgen. Je mehr Länder mit Regierungsbeteiligung der SPD im Bundesrat sitzen, desto stabiler, desto unbeweglicher wird das System.
Deutschland wurde von mir gerettet. Nun ist Sachsen an der Reihe.
Vor fünf Jahren schafften es die Sozis nur knapp vor die Nazis. (9,8% SPD, 9,2% NPD). Auch in Sachsen, und auch mit der sächsischen SPD und ja, sogar mit Thomas Jurk kann man aus dieser beschissenen Ausgangslage eigentlich (!) nur Stimmenzuwächse erzielen. Vier Wochen vor der Bundestagswahl wäre das ein wichtiges Zeichen an die lethargischen SPD-Wähler im Land.
Nachdem ich wider erwarten nicht geext wurde, kann sich mein Studium noch ein paar Jahre hinziehen, also gilt es tunlichst Studiengebühren zu vermeiden. Wenn ich ehrlich bin, die SPD ist mir nicht geheuer, schon gar nicht in Sachsen, aber ohne diesen marginalisierten Verein als Juniorpartner einer „großen“ Koalition, hätte mir die CDU schon längst ´nen Gebührenbescheid reingedrückt. Die FDP als möglicher Partner spricht sich auch nicht explizit gegen eine Campus-Maut aus (und hat außerdem miserable Plakate).
Mit den Grünen würde nicht mal ich (ungeachtet der Erststimme) in Sachsen koalieren, und die PDS ist hier ein Haufen faschistoider Kleingärtner mit Jugendphobie. Bleibt nur eine Wahl:
Unter imaginären Tränen zerreisst es mir mein aufrichtig-demokratisches Herz. Meine Hand vermag kaum den Stift zu umklammern. Mit Schweiß auf der Stirn, mich selbst aufs übelste verfluchend greife ich zur Vergeltungswaffe des Souveräns (Kugelschreiber an Schnur). Ein schierer Kraftakt lässt meinen rechten Unterarm über den Bogen des Stimmzettels schleifen. Denen da oben zeig ichs! Jetzt wird abgerechnet. Ich sehe den runden Kreis, der erste Strich gelingt mir noch ganz gut, doch ob dieses Wahnsinns einer freien Wahl, einer wohlweißlichen Willensbekundung schwirrt mir der Kopf. Alles dreht sich. Mit Mühe und Not schaffe ich es einen Haken zu schlagen und ein Kreuz zu Formen. Der Stift fällt mir aus der Hand. Mein Mund ist so trocken, dass ich den Klebestreifen des Umschlags an meiner schweiß-nassen Stirn befeuchten muss. Ich bin fertig, am Ende, am Boden zerstört.
Ja, ich habe etwas Furchtbares getan. Ja, ich habe spd gewählt.
Nie wieder!
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