Gern würde ich Jens Jessen, Dieter Degler, Matthias Matussek und Karla Kolumna den Vorwurf machen, sie seien arschgefickte Hurensöhne, doch fürchte ich, dies überschreitet die Grenzen ihrer Vorstellungskraft.
Spreche ich hingegen von Pfründen und Besitzständen, welche sie zu wahren versuchen, dürften wir uns verstehen. Monopolisten, Oligopolisten, „Eliten“ mit Deutungshoheit, denen in ihrem festgefahrenem Denken nichts besseres einfällt, als neue Medien als böse und ihre Nutzer als Räuber zu verurteilen.
Was ich in den tradierten Medien zum Thema „Zukunft des Journalismus“ lese, ist eindimensional, unkreativ, im schlimmsten Sinne konservativ. Alles läuft darauf hinaus, dass der Leser für gute Qualität zahlen soll, oder muss.
Gute Recherche, Berichterstattung, herrausragende Essays und Kommentare, Glossen und Satiren kosten Geld. Das stimmt. Journalisten, Redakteure und Schreiber wollen bezahlt werden. Wie bisher auch.
Rupert Murdoch – der böseste Mann der Welt – will Teile seines Onlineangebotes kostenpflichtig machen. Er wird damit scheitern. Dieses Ansinnen läuft den Rezeptionsgewohnheiten des Webs zuwider. Entweder weicht man auf andere, kostenneutrale Onlinemedien oder gleich auf Blogs und Google-News aus. Doch, was niemand bislang zu sagen wagte, oder, was niemandem bislang auffiel: Rupert Murdoch startet etwas revolutionäres: erstmals soll der Leser im großen Stil für den Inhalt eines Mediums zahlen.
Was die rotweinnippenden Südfrankreichfreunde auf der Zeit, der SZ, der FAZ und allüberall nur zu gern vergessen: seit es Zeitungen gibt, war der redaktionelle Teil stets nur der Füllstoff zwischen den Anzeigen. Der weitaus größte Teil der Einnahmen wurde durch Anzeigenerlöse generiert. Zahle ich am Kiosk 3,70€ für den Spiegel, dann zahle ich damit Papier, Druck, Distribution. Recherche, Redaktion und Ruf finanzieren die Anzeigenkunden. Das war schon immer so.
Ich finanziere folglich nur eine überkommene (langsame, umweltschädliche) Vertriebsform.
Kleiner Ausflug in die PR-Evaluation: trotz toller Modelle findet diese letztlich doch auf dem Heimtrainer des CEOs statt, in Form einer aufgeschlagenen, mit Schweißtropfen übersäten FAZ. Nur wenige der wirklich großen Unternehmen leisten sich überhaupt eine Evaluationsabteilung. Eine Abteilung die festlegt: in Onlinemedien ist dieser ROI (Return of Investment) und in Printmedien jener zu erwarten. Letztlich sind Anzeigenpreise zur Zeit eine Bauchentscheidung. Wenn eine Anzeige bei Zeit-online nur 10% des Erlöses erzielt im Vergleich zur Printausgabe, dann hat das auch die Zeit zu verantworten, wagt sie doch nicht, ihr Onlineangebot angemessen zu gestalten oder zu verkaufen. GAP T-Shirts kosten das 10-fache von H&M-Hemden, und kommen doch aus dem selben Werk, dennoch zahlt man den überhöhten Preis. „Was nichts kostet ist auch nichts!“ gilt eben auch für Anzeigenpreise.
Die aktuelle (seit Jahrzehnten anhaltende) Krise der Medien ist nicht verschuldet von preissensiblen Onlinelesern. Sie ist Folge eines kollabierenden Anzeigenmarktes, in der aktuellen Wirtschaftskrise wieder sehr schön zu beobachten.
Ein weiterer Faktor ist der Leserschwund, außer bei der Apothekenumschau (Rentner) sinken überall die Auflagen. Die Rezeptionsgewohnheiten haben sich geändert. Durch Radio, Fernsehen und zuletzt Onlinemedien.
Tageszeitungen sind ein stinkender, überflüssiger Atavismus!
Wenn ich mit einer FR unter dem Arm rumlaufe, dann nicht weil ich mich informieren will, sondern um intelektuell und sophisticated zu wirken. Die Zeitung ist mein Spazierstock mit Silberknauf.
Sie ist unhandlich, zeitintensiv, stets einen Tag hinterher und die Distribution kostet Geld. Nur an den Wochenenden habe ich wirklich die Zeit, Zeitung zu lesen. Doch dann nehme ich mir nicht den Stapel der vergangenen Woche vor, denn: „Nichts ist älter als die Zeitung von gestern.“ Der Postbote liefert mir also jeden Morgen druckfrischen Papiermüll – werfe er sie gleich in die blaue Tonne! Nur die Wochenendausgabe der SZ lese ich wirklich, über die Woche lese ich im Internet.
Tageszeitungen sind überholt, unmodern und unserer Zeit nicht angepasst. „Neuigkeiten“ vom Vortag. Printmedien sollten sich überlegen: welchen journalistischen Mehrwert kann ich dem Leser bieten? Wie wäre es mit aufwendigen Hintergrundberichten und tiefründigen Analysen? Der „Christian Science Monitor“ eine angesehene US-Zeitung macht es vor. Diese erscheint nur noch am Wochenende als Printausgabe, tagesaktuell wird im Internet berichtet. Ein guter Weg. Näher am Leser.
Der Leser wandert ins Internet ab, wo man weniger Geld für Anzeigen erlöst. In der Folge werden die Redaktionen eingedampft - aufwendiger, guter Journalismus wird immer schwieriger. Der „feste Freie“ ist schon seit langem eine typische Erscheinung im Redaktionsalltag. Ein Scheinselbstständiger, dessen man sich rasch entledigen kann. Phrasenknecht auf Abruf. Die tradierten Medien beharren auf einem Anspruch, dem sie schon lang nicht mehr gerecht werden. Beschissener Journalismus (Zeit, taz) für zuviel Geld (Spiegel, BILD).
Rühren daher die Rufe einiger „Kollegen“ nach einer Kulturflatrate, oder gar einer staatlich subventionierten Zeitungslandschaft? Die gleichen, die Staatshilfe für kranke Konzerne ablehnen, wünschen sich diese für ein krankes Medium. Bigotterie!
Journalisten wollen essen. Journalisten brauchen Geld. Zeitungen brauchen Geld, um Journalisten zu bezahlen, dieses generieren sie durch Anzeigen. Wer findet den Fehler im System? Was für die Musikindustrie die Labels, ist für den Journalismus der Verlag.
Ich möchte guten, unabhängigen Journalismus machen, das muss ich mir leisten können. Bezahlt mich die Redaktion, der Verlag schlecht, muss ich mich eben selbst finanzieren, durch die gleichen Leute, die sonst Anzeigen in den Medien schalten.
Oha! Denkverbot! Ein Journalist, der PR macht, der seinen Lebensunterhalt in der Werbung verdient. Bastard! Verräter!
Was macht mich schlechter als ein Medium, welches sich von den gleichen Auftraggebern über Anzeigen finanzieren lässt? Warum spricht man mir per se meine Unabhängigkeit ab? Aus welchen Gründen geht man bei einem Medium davon aus, redaktionellen und Anzeigenteil zu trennen, bei dem einzelnen Journalisten aber nicht? Hüten sich nicht viele Medien davor, kritisch über ihre Anzeigenkunden (z.B.: Aldi, Lidl) zu berichten, oder nehmen dankend "Vergünstigungen" (Reise-und Autojournalismus) an?
Es geht nicht um willfährigen Gefälligkeitsjournalismus. Es geht um kritische Berichterstattung und aufwendige Recherche. Um kostspieligen Journalismus. Finanziert durch Werbung, unter Verzicht auf den Umweg Verlag.
Dem steht nur entgegen, wenn alle Journalisten sich selbst finanzieren, wer bezahlt dann noch die Medien dafür, diese Werbung zu veröffentlichen? Dann gehen die Verlagshäuser, die Zeitungen bankrott, dann hat der Journalist keine Abnehmer mehr für seine Produkte. Folglich keine Leser. Und die Werbekunden haben nichts, wo ihre Anzeigen Platz fänden.
Unternehmen suchen immer Wege, um sich zu vermarkten und zu präsentieren. Sie sind nicht auf Anzeigen in Printtiteln angewiesen. Es wird immer genug zu tun geben in der PR-Branche und der Werbung – auch ohne Zeitungsanzeigen.
Das Produkt des Journalisten ist Journalismus, und sein Kunde ist der Rezipient – nicht der Verlag. Im Netz können beide ohne Vermittler zusammenfinden.
Karla Kolumna muss wohl über ihren Schatten springen, will sie auch demnächst noch Urlaub in der Toskana machen.
Thursday, June 4, 2009
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