Nach drei stressigen Wochen mit selten mehr als 6 Stunden Schlaf bekamen wir unsere Kampagne vorfristig (einen halben Tag vor der Deadline) fertig. Die vergangenen Tage waren geprägt von beinahe täglichen Treffen, Skypekonferenzen und 18-Stunden-Schichten vorm PhotoShop. Bis Mittwoch sollten zumindest die Plakate fertig sein, damit wir Beispielexemplare für den Pitch drucken konnten. Parallel dazu mussten auch noch die Powerpoint-Präsentation gebastelt und die Videos geschnitten (Adobe Premiere Pro) werden. Vor nicht allzu langer Zeit hätte es dazu chemischer Unterstützung bedurft, diesmal reichten mir Espresso, Cola sowie Zucker in seinen leckersten Erscheinungsformen. Wir alle mussten den Zusammenbruch bis Freitag Mittag hinauszögern, das war unsere Hauptaufgabe.
Die Filme waren geschnitten, die Präsentation fertig, die Plakate gedruckt, als wir uns am Abend vor der Präsentation trafen. Wir spielten unseren Pitch zwei mal durch – komplett. Tine machte die Begrüßung und die sachlich fundierte Einleitung, dann kam ich. Im Anschluss wechselten wir uns dergestalt ab, dass niemand bis zum Stimmverlust sprechen musste. Währenddessen zog ich mir noch das neuste Office rüber, damit auf beiden Rechnern das gleiche System läuft, dazu noch die Präsentation samt Filmen. Unsere Präse lief auf beiden Notebooks einwandfrei, beide ließen sich mit der gleichen Fernbedienung ansteuern. Wir hatten auf jeden Fall ein Backup. Da ich etwas zu spät zu unserem letzten Treffen erschien, hatten meine Mädels schon das Wichtigste geklärt – die Kleidungsfrage. Man zwang mir dunkle Beinkleider, ein weises Hemd (lang) auf. Schöner Mist – die Läden hatten schon geschlossen. Während der minderwertige, weil doppelt-X-Chromosom-behinderte Teil unserer Gruppe jetzt schon frei hatte, durfte ich am nächsten Morgen also noch ein Hemd besorgen, und die Karten ausdrucken lassen.
Sechs Stunden Schlaf. Aufstehen, duschen, Klamottenkauf. (Dazu hab ich bei MySpace schon nen Text, da zwetschge ich das mit rein, und poste es hier zu einem späteren Zeitpunkt). Ich sag nur: ich war im Karstadt, bei Zara und 3 H&Ms. Naja, fix die Karten... Telefon ... „Herr Angermann, ... Wir haben ihre EC-Karte gefunden...“ Yeah! ...fix die Postkarten drucken lassen und wieder heim. Kaffee, duschen, Kaffee. Alles einpacken. „Soll ich Boxen mitnehmen? Hmm. Zur Not fahr ich nochmal heim.“
Deutsche Pünktlichkeit zelebrierend, waren wir eine Stunde vor Beginn da. Während das konkurierende Gesocks der PR-Studenten, das nicht mal so viel Wert ist, wie das Schwarze unter den Fingernägeln, geschlossen vor dem LVZ-Gebäude wartete, bauten wir bereits auf. Der Raum war mies, viel zu hell und keine Soundanlage. Dank unserer perfekten Vorbereitung, hatten wir selbst dafür eine Lösung. Tine hatte Boxen + Bass mitgebracht (damit waren wir die einzige von 6 Gruppen). In unserer Generösität gestatteten wir den gegenerischen Gruppen die Nutzung unserer Anlage. Auf einem kleinen Tisch standen 4 Notebooks, zwei davon gehörten uns. Beide Rechner liefen, beide Präsentationen liefen, der Beamer funktionierte in beiden Fällen, wir waren vorbereitet. Während meine Co-Referentin sich mittels Kopfhörern und Musik (Schubert – Klaviersonaten) zu beruhigen versuchte, aß ich ein Stück Kuchen, trank einen Sekretärinnen-Kaffee und lästerte über meine Kommilitonen. Von 6 Gruppen trugen 5 uniform: weise Hemden, dunkle Hosen. Kreative Branche eben. Eine Gruppe trug hingegen grüne Oberteile mit hässlichen Buttons, man sah ihnen an, dass alle(!) den Vormittag beim Friseur zugebracht hatten. Nur 2 oder 3 Uniformabweichler gab es. Rastas, und Fette. Pack! Noch lief ich nicht angezogen rum – das weise Hemd war mir peinlich. Ich zog mich auf dem Klo um. „Oh Jo! Du siehst ja richtig gut aus!“
13.00. Ich hatte im Vorfeld dafür gesorgt, dass wir trotz Losverfahrens als erste Gruppe starten konnten. Begrüßung. Ich war inzwischen beim Mineralwasser (still) angelangt und die Ruhe selbst. Es begann. Tine legte los. Bäääm! Mein Einsatz. Jetzt war ich in Hochform. Fast 5 Wochen bloßer Stress nur für diesen Moment. Ich hätte selbst Helmut Schmidt in Grund und Boden reden können. Unsere Wechsel klappten perfekt. Immer wenn Tine sprach, trank ich nen Schluck und umgekehrt. Die Präsentation lief. Unsere Videos ließen unsere Konkurenten im gleichen Maße grinsen (zu aufgeregt für Lacher) wie erschaudern. Selbst Professor Bentele schien überzeugt von unserer Leistung. 29: 47. Ende. Fast auf die Sekunde. Bäääääm!
Die nachfolgende Gruppe bekam erst nach 5 Minuten ihre Präsentation zum laufen – man konnte zusehen, wie sie nervöser wurden. Ich hatte meinen Spaß und verlustierte mich währenddessen am Kuchenbuffet. Sie hatten ihre Präsentation nicht vorher geprobt – das merkte man. Spontane Einfälle wurden ebenso spontan eingearbeitet. „Man könnte unseren Claim in die Wiesen der Leipziger Parks mähen!“ Oh oh. Oder „Man könnte Aufkleber drucken lassen, und diese auf Schulklos...“ ...ganz großes Kino – normalerweise sollte ich es doch sein, der sich mit sowas um Kopf und Kragen redet. So inkonsistent wie ihre Darbietung war auch ihre Kampagne, 6 verschiedene Motive, ohne irgendeinen Bezug zueinander und dann noch schlampig bearbeitet. Eines war ganz in Ordnung. Als sie fertig waren dachte ich, die würden gleich mit Tränen raus laufen. Sie entschuldigten sich für die Pannen mit „Das wird nicht wieder vorkommen.“ und während ich noch überlegte, ob ich meine spontane Antwort unterdrücken solle, platzte es aus Tine heraus: „Das glaub ich aber auch!“ Der Hammer!
Die nachfolgenden Gruppen waren nicht wirklich besser. Wieder inkonsequente Umsetzung. Wir hatten eine komplette, fertige Kampagne, die man am nächsten Tag hätte in den Druck gehen können. Die anderen nur halbgare unüberlegte „Ergebnisse“. Mittagspause. Kuchen. Kaffee. Die Jury beriet sich während wir uns über die anderen Gruppen das Maul zerissen. Pause vorbei.
Ergebnisverkündung der LTM-Kampagnen. JETZT wurde ich langsam nervös. „Es waren alle Gruppen gut, blablabla. Kein dritter Platz, blablabla.“ „Wir haben uns für die Kampagne der Agentur PeRLE entschieden.“ Yeah! Yeah! YEAAAAAHHHHH! Krasser Endorphinflash. Wir lagen uns in den Armen. Während wir draußen Visitenkarten und Verträge vorgelegt bekamen, legten die Gruppen mit der LVZ-Kampagne los. Es hieß, unsere Kampagne wäre die professionellste von allen gewesen. Perfekter Vortrag. Hervorragende Ausarbeitung. Seriöses (mit mir!!!) Auftreten. Bentele meinte, die anderen Gruppen hätte er sich nur aus Anstand angesehen. Krass. Wir waren verdammt gut. „Wir hatten schon große PR-Agenturen, die weniger professionell waren als sie.“ Einfach nur der Wahnsinn.
Immer noch voll auf Hormonen schauten wir uns die LVZ-Kampagnen an, wir Schlingel kommentierten das ganze stetig auf unseren Notizblöcken und schoben die Zettel hin und her. EINE der Kampagnen war von der Präsentation fast mit unserer zu vergleichen. Aber sie hatten miserable Plakatmotive - außerdem möchte kein Auftraggeber in der obligatorischen Straßenumfrage hören, dass niemand sein Produkt kennt, oder dieses mies ist. Böser Fehler!
Kuchen und Kaffee, die Studenten hatten das Wasser bereits geplündert. Cola und Limonaden standen noch in der Sonne. Unser LVZ-Favorit machte dann auch das Rennen (natürlich hätten sie gegen uns nicht den Hauch einer Chance gehabt). Wir bauten unsere Technik ab. Das geplante Bier war nicht mehr drin. Wir waren einfach fertig. Zu Hause sandte ich meiner Anwältin noch rasch unseren Vertrag. Nur für den Fall, dass man uns über den Tisch ziehen würde.
Das Gartenmotiv war einer der Jury-Favoriten

Mein persönlicher Liebling

Wird Anfang Juli bereits plakatiert

Dazu mussten wir in der Unibibliothek zwei Regale komplett leer räumen

Dieses Plakat besteht aus 12 Einzelbildern
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