Monday, August 11, 2008

Scherbeln muss es im Helm!

Went back from our Roadtrip yesterday. Everything hurts. Maybe I should go on vacation.

Da isser:

Schwielen, Schweizer, Schwaadewiefre (joie de vivre)

Ich musste hier raus. Nach einem zweiwöchigen Trinkgelage, wurde es Zeit für eine drastische Neubewertung der Situation. Ich fuhr mit dem Nachtzug runter. Auf Reisen kann man die interessantesten Leute treffen, Gespräche und Diskussionen werden einem förmlich aufgedrängt. Ab Weimar musste ich mein Abteil mit einem älteren Herren teilen. Im Laufe unseres Gesprächs stellte er fest, dass Viagra der asiatischen Tierwelt mehr genützt hätte, als WWF, Greenpeace und solche Organisationen: wer blaue Rhomben futtert, muss keinen Tiger mehr essen. So hatte ich das noch nie betrachtet. Trotz einiger Befürchtungen, vorsichtshalber verringerte ich während der Fahrt meine Weinreserven, kam ich problemlos am Zoll vorbei.

In der Schweiz verbrachte ich meinen Tag damit gemästet zu werden, zu essen, und Nahrung zu mir zu nehmen. Während meine Onkel arbeiten waren, kümmerte sich Chrigls Mutter um mein leibliches Wohl. Ich verbrachte meine Tage ohnehin vor ihrem Fernseher (Tour de France), so dass man mich nebenbei mit Ovo und Kuchen füttern konnte. Sie bewohnt das Untergeschoss im Haus meiner Onkel, so dass ich nur die Treppe runter fallen musste. Wenn ich nicht aß, Wein trank oder Radrennen schaute, bewegte ich mein Bike durch hochalpine Gefilde oder verlustierte mich an meiner Reiselektüre. Erst nach meiner Rückkehr ist mir aufgefallen, wie ruhig es dabei war: keine Straßenbahnen, kreischende Kinder und nur wenige Autos.

Einige Dinge lassen sich nicht vermeiden, wenn ich in der Schweiz bin. So müssen wir jedesmal Rosl, die erste Herbergsmutter meines Onkels, besuchen.Die Worte: „Nein danke, ich bin satt.“ haben für sie keinerlei Bedeutung, da passen immer noch zwei Stangen Toblerone rein – mindestens. Am gleichen Abend besuchten wir das Schaaner Cinematographen-Theater (zwar Liechtenstein, aber eigentlich nur die andere Rheinseite). Chrigl hat das gesamte Interieur dieses Kinos gestaltet. Egal wo man in Liechtenstein hinkommt, er hat es dekoriert - der liechtensteiner Gestaltungs-Guru. Samstag hatten wir eine Radtour entlang des Rheins nach Vaduz, um eine Kunstausstellung von Paul Klee zu besuchen. Oh wei. Man hätte mir die Bilder verkehrt herum zeigen können, ich würde es nicht bemerken. Oh wei² - an jedem Berg wurde ich von meinen Begleitern eiskalt abgehängt. Na toll! Ist ja auch kein Ding auf Simplon-Rennern, während ich mit 15kg DH-Bike den Berg hoch...
...schiebe.

Sollten mehr als zwei männliche Angermänner (und seien sie auch eingeheiratet) aufeinander treffen, wird gewandert. Es gibt schlimmere Familientraditionen. Zu meinem Unglück haben die Schweizer viele Berge in ihr land gebaut. Die Schufte, mich zum kraxeln in alpinen Höhen zwingen. Weiter oben in den Bergen, über den Wolken hatte es richtig geiles Wetter, man konnte bis Deutschland blicken, bis zum Bodensee.
Großartige Panoramen boten sich unseren Augen. Während unserer Bergwanderung entdeckte ich einen Hammertrail, dessen Eingang sich gleich neben einem Postbushalt befand. Nur mit Mühe und Not konnte ich es vermeiden vor Freude zu sabbern. Im oberen Teil war er eher flach, mit grobem Schotter und einigen Felsplatten, dann kam ein steiles Waldstück mit engen Kurven, im Anschluss Vollgas auf Brechsand, mit einigen Wellen zum Springen und Wiesenstücken zum abkürzen. Danach ging es steil in eine Felspassage, enge Kurven, Drops (hier war die Ideallinie gefragt). Danach hatte es wieder Schotter und zum Schluss ein Treppenjump auf einen Parkplatz (mit Postbushalt). Da ich am Montag ohnehin nichts wichtiges (Ruhetag bei der Tour) vorhatte, packte ich Ritterrüstung samt Bike und machte mich auf zu diesem Trail.

Gedehnt und aufgewärmt, in Dainesse eingepackt und mit Fiasko im Ohr saß ich im Sattel. Extra für die Schweiz hatte ich neue Reifen (Maxxis Bling-Bling-Lopes DH, 2,35“; vorn SuperTacky (47a) hinten 60a; 1,3 kg das Stück!) aufgezogen. Ich stellte die Gabel etwas weicher ein, und ließ etwas Luft ab, für besseren Grip.
Die erste Fahrt war die einzige, bei der ich meinen Verstand gebrauchen konnte, noch kannte ich die Strecke nicht. Mit dem Postbus fuhr ich hoch, mit dem Bike wieder runter. Herrlich! Meine Bestzeit sollte bei knapp 10 Minuten liegen, für die erste Abfahrt brauchte ich doppelt so lang.
Man steht am Start, visualisiert die Strecke, hat die Ideallinie im Kopf. Doch kaum rollt man in den Trail, herrscht totale Leere in Kopf. Man konzentriert sich auf die 50 Meter vorm Lenker, mehr sieht man nicht. Tunnelblick. Alles Unwichtige wird ausgeblendet. Der einzige Gegner, den es zu schlagen gilt, ist die Uhr (Contre la montre). Ein perfekter Lauf bedeutet, dass das Bike zum Teil des Körpers wird, man muss geschmeidig über den Trail gleiten. Nicht gegen den Track fahren, sondern mit ihm. Spielen, jede Möglichkeit nutzen. Wenn man perfekt gefahren ist, kann man unten nicht sagen, ob man 10 Minuten oder eine halbe Stunde unterwegs war. Paar mal bin ich gestürzt, dann tritt man das Bike weg, und versucht sich abzurollen.
In der Felspassage, welche an den Vollgaspart anschließt, waren einige heftige Kurven.

Auf meiner vorletzten Abfahrt kam ich viel zu schnell aus der Speedpassage. Statt die erste Kurve innen zu erwischen, fuhr ich auf der Außenspur in das Felsdurcheinander. Rechts von mir lag die (verpasste) Ideallinie, links ging es 2 Meter senkrecht nach unten. Ich kam, immer noch viel zu schnell rein - keine Chance die Kurve zu erwischen. Ich konnte nur noch am Lenker ziehen, und stellte mich auf eine Detonation 2 Meter tiefer ein. Die Gabel schlug durch, ich krachte in den Sattel, irgendwie gelang es mir auf den Pedalen zu bleiben. Bei geschätzten 30 % Gefälle pflügte ich durch kindskopfgroße Felsbrocken. Ein Zug an der Bremse, und es hätte mich abgeworfen. Nur versuchen auf den Pedalen zu bleiben, das Bike findet schon den Weg. In Schusslinie (mit grob geschätzten 700km/h) kam ich auf die Schotterpiste, ich hatte die gesamte Felspassage umfahren! Am Parkplatz konnte ich mich kaum mehr auf den Beinen halten. Stehen ging ich nicht, meine Hände zitterten und der Angstschweiß rann mir aus allen Poren. Die ganze Zeit muss der Polar gepiepst haben, noch auf dem Parkplatz hatte ich einen 185er Puls. Ich drückte auf der Uhr rum und suchte meinen Maximalpuls: 207 (!!!). Huiuiuiui, der Wahnsinn! Ich kann nicht sagen, wie ich die Schotterpassage runtergekommen bin. Ich bin über meine eigenen Grenzen hinausgeschossen – und dass ziemlich weit. Mit dem was ich an Adrenalin im Blut hatte, hätte man einen Friedhof ins Leben zurück holen können. Nach 10 Minuten erstand auch ich von den (geistig) Toten wieder auf. Ich musste den Trail nochmal fahren; anderenfalls würde ich das nie wieder hinbekommen. Ab in den Bus und hoch. Die letzte Abfahrt war ein Tag im Sandkasten. Spaß pur. Schön gemütlich. An der Kurve stieg ich ab, um mir meine Abkürzung genau anzuschauen. Ich muss genau zwischen zwei Felsplatten gelandet sein, 30 cm weiter links oder rechts, und meine Knochen wären lustige Splitter geworden. Als ich sah, wo ich zuvor fast im Blindflug durchgerauscht bin, merkte ich erst, was für ein verdammtes Glück (Schrägstrich: überlegenes Fahrkönnen) ich hatte. Unverletzt und mit 150 Puls kam ich unten an.

Neben allerley Leckerey (Lammrücken, Chäsfondue, Ovomaltine) gab es einmal „Chäääs-Chnöpfle“ ein Gericht, dass man, ohne schwerste Verletzungen der Stimmbänder zu riskieren, nicht aussprechen kann. Die Schweizer sind Sprach-Masochisten. Mein Name mutierte zu „derch_Chjochhannes“ (alternativ: „derch_ChHanni“). Ich bin mir sicher, da lassen sich noch weitere Röchellaute einbauen. Das CH auf dem Nummernschild steht nicht für Confoederatio Helvetica. Nein! Es steht für eine lebenslange Tortur der Lautformungsorgane!
Mein Onkel besitzt sämtliche „Kleiner Maulwurf“-Filme auf 8mm Schmalfilm. Mit diesen haben wir den letzten Abend bestritten. Das musste sein.
Nahm ich auf dem Hinweg noch 3 Flaschen Wein und einen Wodka mit, schmuggelte ich auf der Rückfahrt nur Käse und 3 Packungen Ovomaltine (die schweizer Version/ Schweizerversion hat keinen Zucker). Inzwischen konnte ich sogar wieder nüchtern einschlafen. Bei diesem Höllenritt muss es im Hirn wohl was zurecht gerüttelt haben...



Ich mag Reisen. Auf Reisen sein, kein 14-Tage Mallorca-Urlaub. Das Ziel ist nicht entscheidend, auch nicht die Dauer. Es geht darum, dem Alltag zu entfliehen, aus sich selbst herauszutreten. Auf Reisen muss man nicht seine Rolle spielen, man kann ein anderer Mensch sein, vielleicht näher an einem selbst, als es der Alltag einem erlaubt.

1 comment:

Anonymous said...

Hallo Hanni,

Danke für den Link. Freut uns, dass es dir hier gefallen hat. Solltest du doch noch eingezogen werden, bei uns bist du jederzeit willkommen.

Schöne Grüße

Jörg und Chrigl